Vier Tage im Heiligen Land
Österreich und Israel verbindet eine grausame Geschichte: Die Shoa. Die massenhafte Vertreibung und Vernichtung jüdischen Lebens in Österreich und Europa, ist zweifellos der dunkelste Moment in der Geschichte beider Länder. Jüdinnen und Juden – österreichische Staatsbürger – wurden von NS-Schergen deportiert, versklavt und systematisch ermordet. Rassenhass und Antisemitismus haben zur Vernichtung unzähliger jüdischer Leben in Österreich und Europa geführt.
Heute, 70 Jahre später verbindet die Staaten Israel und Österreich eine Freundschaft. In Zeiten des Friedens und der Freundschaft ist es daher umso notwendiger, an genau diese Gräueltaten zu erinnern. Unsere Generation ist die letzte Generation, die mit Zeitzeugen sprechen und sich das Erlebte schildern lassen kann. Daher ist unsere Aufgabe, dass aus einem „niemals vergessen“ auch ein „nie mehr wieder“ wird.
Die Junge ÖVP hat daher als größte politische Jugendorganisation des Landes eine Reise nach Israel organisiert. 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Österreich konnten bei dieser Reise in den Nahen Osten mit dabei sein.
Auf dem Programm stand der Besuch in Jerusalem mit einem Rundgang im jüdischen Viertel, an der Klagemauer sowie der Grabeskirche. Ebenso wurde die Knesset – das jüdische Parlament – besucht und anschließend mit der Österreichischen Botschafterin Dr. Hannah Liko zu Abend gegessen. Doch nicht nur erfreuliche und wohltuende Programmpunkte standen auf der Tagesordnung. Der Besuch in der Yad Vaschem Holocaust-Gedenkstätte samt Kranznieder legung und das Gespräch mit einer Holocaust Überlebenden waren besonders eindrucksvoll, aber auch besonders herzergreifend bedrückend.
Diese Reise war ein Wechselbad der Gefühle. Jerusalem und Tel Aviv ist wunderschön zu erkunden, zeitgleich rief die Holocaust Gedenkstätte sowie das Gespräch mit der Zeitzeugin die grauenhaften Erlebnisse der Geschichte vor 70 Jahren in Erinnerung. Wir sind die letzte Generation, die mit Zeitzeugen sprechen kann und dieses Privileg, welches ich erfahren durfte, möchte ich auch nutzen!
Mein Reisetagebuch:
Tag 1: Jerusalem
Erste Eindrücke aus Jerusalem. Wir starten mit dem Bus vom Flughafen mit dem Busfahrer namens Isa - arabisch für Jesus. Die Straßen sind fast leer, wenig Autos und fast keine Fußgänger. Zufall? Nein. Heute ist Schabbat und für die jüdische Bevölkerung ist dies der Tag an dem geruht wird. Quasi unser Sonntag, nur noch heiliger. Keine öffentliche Straßenbahn fährt, die Siedlungseinfahrten sind mit Schranken versperrt und die Lichtschalter werden nicht betätigt. Schließlich wäre all dies "Arbeit" und das ist am Schabbat verboten. Insgesamt werden 39 Tätigkeiten im Talmud aufgelistet, die nicht erlaubt sind. Ein Land, das eigentlich nur 3 Stunden Flugzeit entfernt liegt, aber sich wie eine andere Welt anfühlt. Durch das große Tor von Damaskus ging es nach Jerusalem. Hier grenzen die Religionen und Kulturen aneinander: Juden, Araber, Christen, Armenier uvm. Später ging es zur sogenannten Klagemauer. Echt beeindruckend, wie die Menschen hier ihren Weg zu Gott finden. Es wird gebetet und kleine Zettelchen in Mauerspalten gesteckt. "Gott hat sich hier Wohnung genommen", heißt es. Und zum Schluss ging's zurück in die Unterkunft: Das Österreichische Hospiz in Jerusalem. Ein Privileg von uns Österreichern, welches wir Kaiser Franz Joseph verdanken. 1856 hat er ein rund 4.000 qm großes Areal mitten in Jerusalem gekauft, welches nun als Hotel und Gastbetrieb dient. Man fühlt sich hier inmitten des Arabischen Viertels wie Zuhause - Gösser Bier, Apfelstrudel und Verlängerter, bedient von Österreichischen Zivildienern verstärken diesen Eindruck. Die Reise ist jetzt schon so vielfältig, bin gespannt was die nächsten Tage bringen.
Tag 2: Bethlehem
Der heutige Tag war besonders eindrucksvoll. Gestartet hat der Tag um 05:30 Uhr, wo ein Teil der Reisegruppe die Heilige Messe in der Grabeskirche besuchte, in denen die 6 Konfessionen sich die Messezeiten aufteilen. Danach ging es mit dem Bus zum Yad Vashem: World Holocaust Center, Jerusalem. Egal wie oft man vom Holocaust oder der Shoah gehört und gelesen hat, diese grausame Zeit geht unter die Haut: 6 Millionen Tote Juden. 75% der Europäischen Juden wurden getötet. 98% der jüdischen Bevölkerung in Weißrussland ausgelöscht. 9 Millionen Juden wurden Zwangsarbeiter - von Schweden bis Nordafrika. Die Zahlen verwandelten sich im Museum in echte Geschichten, Bilder und Gesichter. Das Warschauer Getto hatte es damals besonders hart: 180 Kalorien pro Tag blieb im Durchschnitt pro Insasse über. Vor allem die Experimente waren grauenhaft. Bayer ließ die Anti-Babypille testen und war äußerst unzufrieden. Warum? Weil die Frauen im Zwangslager nach den ersten Versuchen starben. Im Schriftverkehr ist festgehalten, dass der Wunsch zumindest nach 3-4 Testversuchen vor dem Tod geäußert wurde. Heutzutage unfassbar krank, dennoch existieren auch heute noch Firmen wie diese. IG Farben hat damals das Gas für die Kammern hergestellt - heute ist die Firma unter demselben Wappen tätig. Einzig der Standort wechselte von Deutschland nach Amerika. Ebenso: Warum gab es eigentlich keine Tierversuche? Hitler war Vegetarier und es gab ein Tierversuchsverbot. Somit mussten Häftlinge herhalten. Unfassbar und unglaublich, dennoch schrecklich wahr. Highlight des Tages war das Gespräch mit der Zeitzeugin Rena Quint. Sie berichtete hautnah von ihren Erlebnissen. Als ihr Vater sie im besten Gewissen an eine fremde Frau weitergab, damit sie überleben kann. "Wir sehen uns wieder, ich verspreche es dir!", sagte ihr Vater. Wahr wurde dieses Versprechen nie, denn auch er wurde im KZ ermordet. Bei den Erzählungen stehen die Tränen in den Augen - so unglaublich erschreckend wirken diese Geschichten. Besonders eindrucksvoll ist, dass wir die LETZTE Generation sind, die mit Zeitzeugen sprechen kann. Ein Privileg, das wir nutzen müssen, um zukünftige Menschen auf diese Ergebnisse hinzuweisen. Niemals vergessen!
Tag 3: Tel-Aviv
Was haben Cherrytomaten, USB-Sticks, X-Box Kinect und Herz-Stent gemeinsam? Richtig! Alles sind Erfindungen und Errungenschaften aus Israel. Bevor wir im The Peres Center for Peace & Innovation מרכז פרס לשלום ולחדשנות in Tel Aviv-Jaffa diese Neuigkeiten erfahren haben, waren wir
heute noch verstärkt politisch unterwegs. Zu Beginn haben wir den Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aqsa Moschee besucht. Unglaublich beeindruckend ist die goldene Kuppel des Felsendoms, die von einer deutschen Firma erneuert wurde. Danach ging es ins Herz der israelischen Demokratie - die Knesset. Das Parlament ist ein Einkammernparlament und
besteht aus 120 Abgeordnete. Learning lesson: Israels Transparenz ist besonders bemerkenswert! Sowohl die Parlamentssitzungen, als auch die Ausschüsse sind für alle Bürgerinnen
und Bürger zugänglich - in den Ausschüssen kann man sogar direkt Fragen an die Politiker vor Ort stellen. Bei uns ist weder die Fragestellung möglich, noch der öffentliche Besuch in Ausschüssen.
Hinzu kommt, dass jederzeit auf Bildschirmen ersichtlich ist, welche Abgeordneten gerade im Haus sind und welche nicht. Diese Info findet auch jedermann im Internet auf der Webseite der Knesset.
Nach dem Parlamentsbesuch ging's nach Tel Aviv. Man sagt, dass Jerusalem als Heilige Stadt das Pendant zu Tel Aviv-Jaffa ist - die Stadt der Sünde. Warum Tel Aviv-Jaffa als
Doppelnamen? Die beiden Städte wurden fusioniert und 1909 gegründet. In dieser westlichen Metropole lebt der Liberalismus in seiner Höchstform. Teil dieser Stadt ist auch die größte
Start-Up Szene in diesen Breitengraden, sehr eindrucksvoll und ein absoluter Must-See Tipp ist eben das Peres Center. "Dream Big" steht in großen Lettern am Eingang vorm
Sandstrand geschrieben, und dieses Motto nahmen die Israelis wohl sehr ernst, sodass großartige Erfindungen auf das kleine Land zurück. Israelis sind in Problemlösungsdenken wohl weit vorne, das
zeigen Beispiel wie das Raketenabwehrsystem, was einst von den Franzosen gekauft wurde. Als der Vertrag auslief, hat man das System adaptiert, verbessert und selbst
implementiert, der Iron Dome war geboren. Diese und viele Erfindungen mehr zeigen die wirtschaftliche Stärke Israels. Eine Unternehmenskultur zum beneiden!
Morgen gehts leider wieder zurück nach Österreich. Auf der einen Seite steht Freude am Programm, denn die Heimat ruft,!andererseits aber traurig ob des einzigartigen Spirits hier. Eines ist
sicher: es war nicht mein letzter Besuch in Israel! Schalom!